Artikelnummer: 60162
Jugendstil Karaffe,
Silber, Kopenhagen 1884,
MZ: Vilhelm Christésen
Das untere Drittel martelliert, darauf vorderseitig eine plastisch hervortretende Pflanze mit vergoldetem Blattbesatz und Stängeln. Der gebauchte Korpus über vergoldete Vertikalrippen in den mattierten Hals mit leicht geschwungener Schnaupe übergehend. Die Handhabe in Analogie zum Korpus in ihrem unteren Drittel von martellierter Oberfläche geziert die über eine dünne Profilierung von der mattierten Oberseite getrennt wird.
Gut erhaltene und elegante Karaffe des dänischen Jugendstils. Die Schnaupe unterseitig fertigungsbedingt geringfügige Unregelmäßigkeiten aufweisend.
Höhe: 27,8 cm, Durchmesser (breiteste Stelle): 12,1 cm; 569,8 g
Der Kopenhagener Silberfabrikant Vilhelm Christésen
Mit vollem Namen Frederik Christian Vilhelm Christésen war er erster dänischer industrieller Hersteller für Tafelsilber und Silberwaren. Geboren 1822 in Kopenhagen als Sohn eines Gutsbesitzers zieht er mit seiner Mutter nach Scheidung der Eltern nach Slagelse, wo er 1838 beim Silberschmied Fredrik Rasmussen in die Lehre geht. Nach bestandener Gesellenprüfung im Jahr 1843 verbringt er einige Jahre als Geselle unter anderem in Bremen. 1852 erwirbt er eine alte Walzpresse und gründete mit dieser die erste dänische Silberwarenfabrik in Slagelse. Schon 1854 folgt eine zweite Presse. 1856 erhält er – gegen den Protest der Silberschmiedezunft – das Privileg, in Kopenhagen eine Silberwarenfabrik zu führen, die sich auf das mechanische Prägen von Gold- und Silberwaren spezialisiert. Er scheitert mit seinem Antrag auf Aufnahme als Meister in die verfeindete Zunft und begnügt sich fortan damit, als Silberwarenfabrikant zu firmieren. Im Jahr 1857 erfährt die Fabrik eine Erweiterung um ein Gesenkschmiedewerk für die Produktion von Henkeln und Beinen für Kaffee- und Teekannen. 1861 erhält er die Medaille Ingenio et Art und die schwedische Medaille litteris et artibus. Sein geschickt geführtes Unternehmen sollte für Dänemark einen weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung des Berufsstandes haben: von der alten edlen, aber zunehmend unrentablen Handwerkskunst zur fabrikmäßigen Produktion. Dennoch gibt er die handwerklichen Traditionen nie ganz auf und so wird in der Fabrik auch individuelles Kunsthandwerk hergestellt. Christésen ist der der erste Hersteller in Dänemark, der unter seinem Dach Designer mit seinem Unternehmen verbindet (so zum Beispiel die Architekten Vilhelm Dahlerup und Heinrich Hansen, den Bildhauer Carl Peters und Künstler wie Nilaus Fristrup und Henrik Olrik). Jenes Konzept der Koexistenz von Designern und ausführender Fabrik sollte später von Georg Jensen übernommen werden und ihm zu ähnlich großem Erfolg verhelfen. Obwohl die ausgebildeten Silberschmiede hervorragende Korpusarbeiten herstellten, machten diese nur einen kleinen Teil der Produktion von Christésen aus.
1862 stellt die Silberwarenfabrik ihre besten Arbeiten auf der Londoner und 1867 auf der Pariser Weltausstellung aus. 1868 führt er – ebenfalls als erster Hersteller – die Dampfkraft in seiner Prägeanstalt ein. 1888 präsentiert er seine Produktionsstätte als „gläserne Werkstatt“ auf der Großen Nordischen Ausstellung in Kopenhagen. Vergleichbar Bruckmann & Söhne, beliefert das Unternehmen von Christésen schon zu Beginn Silberschmiedeläden im ganzen Land. 1865 eröffnet er jedoch sein eigenes Geschäft in der Amaliegade 11 und Østergade 8 in Kopenhagen. Nach dem Tod von Vilhelm Christésen im Jahr 1899 wird das Unternehmen vom Silberwarenhersteller August Thomsen übernommen.
Die Silberwarenfabrik von Vilhelm Christésen wurde zum Vorbild für etliche spätere Silberwarenhersteller, insbesondere für Peter Hertz‘ Söhne Sally und Jacob Hertz, die 1875 die S. und J. Hertz Sølvvarefabrik in Kopenhagen gründeten.