Paula Straus Obstschale, 800er Silber, 1927-30, Bruckmann & Söhne

Artikelnummer: 60138

Art Déco Obstschale, 800er Silber,
Entwurf: Paula Straus für Bruckmann & Söhne, 1927
Heilbronn 1927-30

Der Fuß und die Schale aus zwei angeschnittenen Kugelformen unterschiedlicher Größe mit dezent martellierter Oberfläche bestehend, die sich an ihren Scheitelpunkten berühren. Der leicht ausgewölbte Oberrand an seinen beiden Enden von den für Paula Straus charakteristischen ringförmigen Griffen in Art Déco-Motivik und abstrahierten Weinranken geziert.
Ausgesprochen selten anzutreffende Arbeit von einer der wichtigsten Silberschmiedinnen des deutschen Art Déco in schöner und authentischer Erhaltung.

Länge: 41,9 cm, Durchmesser: 25,6 cm, Höhe (Schalenrand): 19,4 cm; 1.094,8 g

Die Besonderheit der hier vorliegenden Schale innerhalb des künstlerischen Œuvres von Paula Straus wird auch dadurch illustriert, dass diese auf dem Außeneinband der Begleitpublikation „Frauensilber – Paula Straus, Emmy Roth & Co. Silberschmiedinnen der Bauhauszeit“ zur Sonderausstellung 2011 im Bröhan-Museum Berlin und dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe abgebildet wurde. Eine zeitgenössische Abbildung der Schale findet sich auch in Eduard Reinacher (Hrsg.): Dekorative Kunst – Illustrierte Zeitschrift für angewandte Kunst, München 1929. Band XXXVII, S. 240 (siehe hier).
Die Silberschale wurde 1927 im Rahmen der Ausstellung „Europäisches Kunstgewerbe“ im Grassimuseum Leipzig zusammen mit einem Kaffee Tee-Service der Künstlerin gezeigt. Die Schale mit der Modellnummer 13086 war in zwei verschiedenen Größen lieferbar, unser Exemplar ist die Größere.
Ein Gegenstück befindet sich heute im Bröhan-Museum, Berlin, in dessen Bestandskatalog die Schale ebenfalls auf S. 116 in der Ausgabe von 2011 abgebildet ist. Neben den erwähnten Publikationen findet sich diese Schale in diversen weiteren Büchern. Neben der Abbildung des Objekts findet sich auch dessen Konstruktionszeichnung in: Monika Sänger (Hrsg.): Paula Straus – Vom Kunsthandwerk zum Industriedesign, Stuttgart 2023. S. 121.

Die Silberschmiedin Paula Straus (Stuttgart 1894 – Auschwitz 1943)

Bedeutende avantgardistische Goldschmiedin und Entwerferin von Schmuck, Korpusware und Tafelsilber in Stuttgart.
Bis 1921 an der Kunstgewerbeschule Stuttgart ausgebildet, war Paula Straus Meisterschülerin in der Metallklasse unter Paul Haustein der ebenfalls für Bruckmann & Söhne und die Württembergische Metallwarenfabrik Geislingen (WMF) Silberwaren entwarf. Die Zusammenarbeit mit Paul Haustein sowie mit der Abteilung für Glas- und Steinschnitt an der Kunstgewerbeschule unter Wilhelm von Eiff blieb auch nach ihrem Abschluss erhalten. Ab 1924/25 bis zu den beginnenden 1930er Jahren war Paula Straus als Entwerferin von Silbergerät für Bruckmann & Söhne in Heilbronn tätig, wo sie eine beeindruckende Vielzahl von Silberwaren entwarf, insbesondere Silber Teeservice, Tafelsilber und Silberbesteck sowie sakrales Silber für die christliche wie jüdische Liturgie. Ihre künstlerisch herausragende Stellung zeigte sich auch darin, dass sie als eine der wenigen Silberschmiedinnen und Entwerferinnen ein eigenes Atelier von Bruckmann & Söhne gestellt bekam. Zusammen mit Josef M. Lock hatte sie 1925-30 die Leitung des Ateliers für kirchliches Silber bei Bruckmann & Söhne inne. 1929 erhielt Paula Straus einen Lehrauftrag an der Staatlichen Hochschule für Handwerk und Baukunst in Weimar. Ab 1933 war sie als Goldschmiedemeisterin bei WMF tätig. Zwei Jahre später entschied sich Paula Straus zur Selbstständigkeit und zog 1935 nach Stuttgart, wo sie ein Schmuckwarengeschäft gründete das aber 1939 durch die Nationalsozialisten wieder geschlossen wurde. Als Reaktion auf die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 unternahm Paula Straus zahlreiche Versuche der Emigration und verhandelte mit der Zilverfabriek Voorschoten in den Niederlanden, wo ihre Künstlerkollegin Christa Ehrlich eine prominente Stellung als Entwerferin innehatte und für die auch Emmy Roth zahlreiche Entwürfe für Arbeiten in Silber konzipierte. Aus dieser Zeit haben sich einzelne Fotografien der Entwürfe von Paula Straus für Tafelsilber, Silberbesteck sowie Teeservice in einer Bewerbungsmappe zusammengefasst erhalten, deren Urheberschaft heute unbekannt geblieben wäre. Nach Enteignung ihrer Immobilien in Stuttgart und Gundelfingen (1939/40) musste sie ihre Tätigkeit als Gold- und Silberschmiedin endgültig aufgeben und stattdessen eine Stellung als Küchenhilfe im jüdischen Altersheim Buttenhausen bei Münsingen antreten. 1941 wurde sie Leiterin des jüdischen Altersheims in Haigerloch das sie zusammen mit einer Küchenhilfe unter widrigsten Umständen führen musste.
Am 2. August 1942 wurde Paula Straus zusammen mit ihrer Mutter nach Theresienstadt deportiert und im Januar 1943 nach Auschwitz verlegt, wo sie am 10. Februar ermordet wurde.

Die Entwürfe von Paula Straus für Silberwaren und Tafelsilber waren von einer derartig modernen Fortschrittlichkeit, dass sie es schaffte mit ihrem Werk einerseits formal das Schaffen der 1950er Jahre vorweg zu nehmen, andererseits aber dennoch auf die Silberobjekte des 18. Jahrhunderts zu rekurrieren. Eine sehr bedacht verwandte Ornamentik lockert die Strenge ihre Entwürfe oft auf und nimmt ihren monumentalen Charakter.
Unter günstigeren Voraussetzungen hätte das künstlerische Potential von Paula Straus sie zu einer international geachteten Größe werden lassen, die einen Vergleich mit Emile Lettré, Jean Emile Puiforcat oder Georg Jensen in keinster Weise hätte scheuen müssen.