Motoko Oshiyama Kakuhanmon Deckeldose „Restschnee“

Artikelnummer: 60206

Bedeutende Deckeldose 残雪 („Restschnee“),
Silber, Kupfer, Shakudo, Shibuichi,
Yamanashi 2010, MZ: Motoko Oshiyama

Quadratische Grundform, die Vorder- und Rückseite dezent zur Mitte hin geweitet. Die Wandung vollflächig martelliert und nahtlos in den aufgesetzten Deckel übergehend, welcher von der Figur eines im Restschnee des ausklingenden Winters aufgeplustert sitzenden Spatzen als Deckelknauf bekrönt wird. Dass Innere von der Künstlerin mit geprägtem Lackpapier überzogen und in einem von ihr bezeichneten Tomobako, einer traditionellen japanischen Holzkiste, zu Lagerungs- bzw. Transportzwecken untergebracht.

Länge: 8,0 cm, Breite: 8,7 cm, Höhe: 9,1 cm

In ihrer schlichten und unaufdringlichen Eleganz verkörpert die vorliegende Arbeit eine geradezu paradigmenhafte Zusammenstellung höchster japanischer Schmiedetechniken.
So ist die wie aufgesetzt wirkende Darstellung des auf den Frühling wartenden Spatzen aus der massiven Platte des Deckels mit dem Hammer herausgetrieben. Das wie emailliert anmutende, braune Gefieder welches von Kopf über den Rücken hin zur Schwanzspitze verläuft, ist aus einer dünnen Kupferplatte getrieben, die als Negativform passgenau auf den Korpus des Spatzen zugearbeitet und aufgelötet wurde. Die den Spatzen umgebende Darstellung des tauenden Schnees, unter dem schemenhaft bereits die zarten Spitzen des Grases erkennbar werden, wurden in äußerst arbeitsteiliger Weise mit sehr dünnen Meiseln (japanisch „Hatsuri“) und kleinformatigen Hammern unter dem Mikroskop martelliert.
Die seitliche Wandung stellt die allmählich unter dem tauenden Schnee erwachende Natur abstrahiert dar, verbildlicht mit einer von der Künstlerin entwickelten Technik die sich „Kakuhanmon“ nennt. Diese Technik erlaubt verschiedene Metalle wie Silber, Kupfer, Shakudo und Shibuichi miteinander zu verbinden. Dabei werden im ersten Schritt die Metalle durch schweißen zu einem massiven Block verbunden, der anschließend in dünne Streifen aufgesägt wird. Diese Streifen werden im nächsten Schritt passgenau aneinandergefügt und miteinander durch Löten verbunden. Es entsteht so ein durchgehendes, wie wirbelnd anmutendes, stark bewegtes Muster. Der lebhafte Charakter erfährt durch die mit verschiedenen Hatsuri in das Metall eingebrachten, wellenförmigen Friese eine zusätzliche Verstärkung. Anschließend hat die Künstlerin das Muster mit eingelegten, kleinen Metallplättchen in Shibuichi von differierender Farbe verziert, die in Kiribame-Zogan eingesetzt wurden. Diese sehr alte japanische Einlegetechnik erlaubt es Metalle einzusetzen ohne löten zu müssen. Das Trägermetall wird dabei mit feinen Sticheln ausgehöhlt ohne es zu durchbrechen, in welche die exakt zugearbeiteten Metallplättchen eingelegt und mit Hammerschlägen mit dem umliegenden Metall verbunden werden.
Die Bodenunterseite wurde in Analogie zur Gestaltung der Wandung vollständig mit Hammerschlägen überzogen, welche eine grobe Textur ergeben die an Erdreich erinnert. Mittig das Kanji der Künstlerin.

Neben Silber und Kupfer wurden bei der Herstellung dieser Arbeit die traditionellen Legierungen Shakudo und Shibuichi verwendet. Shakudo ist eine Legierung aus Kupfer mit einem Zusatz von 1 bis 5 % Gold. Bei Shibuichi handelt es sich um eine Legierung aus Silber und Kupfer. Die Oberfläche ist mittels einer traditionellen japanischen Patinationstechnik namens Niiro gefärbt. Diese stellt einen natürlichen Anlaufschutz dar und verleiht gleichzeitig den unterschiedlichen Metalllegierungen eine zusätzliche Lebendigkeit indem sie den Kontrast erhöht. Bei diesem Verfahren färbt sich das Kupfer in ein rötliches Braun, Shakudo erhält eine tiefschwarze Färbung mit leichtem Blaustich die hier aber durch eine relativ hohe Beimengung von Gold unerwartet licht in ihrer Farbigkeit ausfällt. Shibuichi bekommt einen matten Grauton, dessen Farbe abhängig vom Mischungsverhältnis von Silber zu Kupfer unterschiedlich ausfallen kann (hier liegt es in zwei Färbungen vor). Das Silber bleibt in seiner Farbigkeit unverändert. Die vorliegende Arbeit wurde 2010 auf der 50th East Japan Traditional Kogei Exhibition in Tokyo präsentiert und als besonderes Werk ausgezeichnet. Die alljährlich stattfindende Kogei Exhibition ist eine japanische Leistungsschau, auf welcher die herausragendsten Arbeiten japanischer Künstler der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Die japanische Künstlerin und Silberschmiedin Motoko Oshiyama

Nach ihrem Studienabschluss 1981 an der Bunka Gakuen University in Shinjuku, Tokyo verfeinerte Motoko Oshiyama (geb. 1957) ihr handwerkliches Können bei Katsura Moriyuki (1914 – 1996) und Okuyama Hōseki (geb. 1935) der den Titel des „Living National Treasure“ innehat. Die Künstlerin spezialierte sich unter dem Einfluss ihrer Lehrmeister auf Metallarbeiten in Silber in Kombination mit unterschiedlichen Metallen. In der Motivik bevorzugt die Künstlerin Naturphänomene und Landschaften Japans, verbunden mit Darstellungen der dortigen Tier- und Pflanzenwelt. Bei der Farbgestaltung ihrer Metallarbeiten legt sie besonderen Wert auf Harmonie und Kraft. Ihre Haupttechnik „Kakuhanmon“ besteht darin, durch das Verschmelzen von zwei oder mehr Metallen wirbelnde Muster zu erzeugen. Darüber hinaus verwendet sie eine Vielzahl unterschiedlicher Ziselier- und Löttechniken und erkundet durch die Kombination dieser Techniken weitere künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten. Heute lehrt die Künstlerin Metallschmiedetechniken an der Bunka Gakuen University.
Motoko Oshiyama ist ständiges Mitglied der Japan Kogei Association sowie der Yamanashi Art Association.

Auszeichnungen (Auswahl):
1996: Incentive Award at the 36th Exhibition of New Works of Traditional Art Crafts
2001: 18th Tansuiou Prize
2003: Japan Kogei Association Award at the 32nd Japanese Traditional Metalwork Exhibition
2010: 50th Anniversary Award at the 50th East Japan Traditional Kogei Exhibition (mit der hier vorliegenden Arbeit)
2014: Tokyo Board of Education Award at the 43rd Japanese Traditional Metalwork Exhibition

Öffentliche Sammlungen:
Eine Deckeldose der Künstlerin befindet sich im Metropolitan Museum of Art, New York (siehe hier). Ferner befinden sich Arbeiten der Künstlerin im National Museum of Asian Art at Smithsonian Institution, Washington sowie der Ise Cultural Foundation, New York.